Ein Platzhalterbild
Top

11 Fragen an André Sauer

Jérôme Lenzen hat viele Fragen. Elf davon stellt er Kulturschaffenden in Köln. Das Besondere? Die Fragen bleiben identisch; die Befragten jedoch wechseln durch.

Heute spricht Jérôme mit André Sauer. Er ist seit über fünfzehn Jahren als Kulturmanager tätig. In Köln gründete und führte er unter anderem die Musikbars „Stadt Venlo“ und das „Blue Note“. Zuletzt hat er das „King Georg“ als interdisziplinären Kulturort mit Lesungen, Konzerten, Screenings und Performance etabliert. Zwischen 2012 und 2014 initiierte und leitete er den Kölner Kunstraum „Die Boutique“ am Ebertplatz. Im November 2014 übernahm er die Leitung und Programmgestaltung der Ausstellungs- und Veranstaltungshalle im Kunsthaus Rhenania, die er bis 2018 unter dem Namen Werft 5 – Raum für Kunst mit einem vielseitigem kulturellem Programm bespielte. Auch im Jahr 2014 veranstaltet er die erste „Cologne Art Book Fair“ die er seit dem jährlich fortführt.

Die freie Szene ist doch überall zu finden, wo sich Lücken im städtischen Raum öffnen. RAUM! Darüber müssen wir dringend sprechen, denn der Raum in den Innenstädten subsummiert sich seit Jahren.

Wofür steht die Kölner Kultur (respektive was ist typisch für Köln)?

Es gibt Hoffnung.

In Köln trifft eine agile, weltoffene freie Szene auf verbal aufgeschlossene, jedoch weitgehend verhaltensstarre institutionelle Einrichtungen. Es gibt zu viele Häuser, die von diskursverwirrtem etabliertem Personal und/oder selbstgerechten Vereinen, fehlgeleitet werden. Eine Öffnung dieser Vereine und eine Rotation der kreativen Mitarbeiter würde dazu führen das Kultur wieder zu einem Labor wird und wir gemeinsam experimentiert können, Raum schaffen und vor allem: Teilen!

Welche Kulturveranstaltung in Köln (Ausstellung, Festival, etc.) hat Dich zuletzt vom Hocker gehauen?

Künstlerisch hat mich Hofesh Shechter´s „Grand Finale“ im Schauspiel Köln zu 100% elektrisiert.

Als Format fand ich „Kunst auf Litfasssäulen“ sehr gut, weil das Projekt auch einen traurigen Blick auf die gnadenlose Unterwerfung der Kölner Politik unter Wirtschaftliche Interessen  ermöglicht hat. Der Abriss der Litfaßsäulen war ein Meisterstück des kölschen Klüngels.

Und wo hast Du Dir mehr erhofft?

Zu oft gibt es viel zu sehen und wenig zum denken.

Gibt es eine/n Kulturschaffende/n in Köln, die/der von Dir besonders bewundert wird?

Jabbar Abdullah ist 2012 von Raqqa in Syrien geflohen und lebt nun als Kulturtreibender in Köln. Seine feine, politisch aktivistische Arbeit hilft uns den Horror, der einer Vernichtung des eigenen Landes immanent ist, nachzuspüren und mit Zeitzeugen in Kontakt zu treten. Das halte ich für sehr wichtig, denn viele Deutsche visualisieren nur den Flüchtling, nicht den Botschafter einer Kultur der nun ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft ist und UNS hilft zu verstehen wofür wir gemeinsam kämpfen müssen: Die Anerkennung der Freiheit und der Menschenrechte jedes Einzelnen von uns. Überall.

Ai Wei Wei hat Berlin unter großem Getöse verlassen, welchen Kulturmenschen hättest Du gerne in Köln?

„Wer nicht denken will fliegt raus“

Josef Beuys

Neue Oper, neue Museen, neuer Dom? Was für ein Gebäude wünscht Du dir für Köln?

Ein Tanzhaus nach dem Vorbild von Pact in Essen.

Und welches gibt es schon, dass Dir besonders gefällt?

Die Mitarbeiter des Schauspiel Köln in Mülheim haben einen sehr guten Job gemacht hat und das Haus dem Viertel angeschlossen. Der Standort sollte, nach dem Umzug, erhalten bleiben und für die freie Szene geöffnet werden. 

‚Kultur lebt in Köln‘ heißt der neue Slogan des Stadtmarketing: Was wäre Deiner?

„Köln DIE autofreie Stadt am Rhein“

In Berlin schließen die ersten Clubs, wird jetzt Köln zur Nummer 1 oder doch Wuppertal?

Die Frage lautet doch eher wie der Klub der Zukunft überhaupt aussehen kann, wenn die meisten Klubs die Krise nicht überleben…ich spreche hier nicht von den großen Geldmaschinen, das sind für mich keine Klubs, sondern getarnte Diskotheken. Ich spreche von den Klubs die als subkulturelle Experimente laufen, die keine Dj´s einfliegen, sondern mit der lokalen Musik und Kunstszene verknüpft sind und mit kleiner Personaldecke arbeiten. Bei denen gehts nicht primär darum Geld zu machen, das sind, in erster Linie, privat finanzierte Kulturbetriebe und die verdienen Schutz vor Verdrängung und da sehe ich gerade große Problem auf die Szene zukommen wenn die Länder/Bund nicht helfen.

Ehrenfeld wird teurer, wo ist die Freie Szene jetzt noch zu Hause?

War die in Ehrenfeld? 🙂 Die freie Szene ist doch überall zu finden, wo sich Lücken im städtischen Raum öffnen. RAUM! Darüber müssen wir dringend sprechen, denn der Raum in den Innenstädten subsummiert sich seit Jahren. Die Politik interessierte sich in der Vergangenheit kaum für dieses Problem: Sobald eine Investor ankam und jammerte wurde die ansässige Szene verdrängt und sollte  weiterziehen. Es ist eine der wichtigsten lokalpolitischen und aktivistischen Aufgabe dafür zu sorgen das viele Orte geschaffen werden die Bestandsschutz haben, ansonsten gibt es bald keine freie Szene mehr in der Innenstadt.

Wem sollen wir diese Fragen als nächstes stellen?

Jabbar Abdullah