Wege in die Kultur – ein Interview mit Jérôme Lenzen
Interview geführt von Marie Brüggemann
Die Arbeitsfelder innerhalb der (Kölner) Kulturszene sind vielfältig – ob Galerist*in, Schauspieler*in, Museumspädagog*in oder Kulturmanager*in – sie alle tragen ihren Teil zur Kulturvielfalt der Stadt bei. Genauso vielfältig sind die Wege in die Kultur. Wie gerät man eigentlich in die Szene hinein, ohne beispielsweise den spezifischen Wunsch zu haben Schauspieler*in werden zu wollen? Jérôme Lenzen, Geschäftsführer von Kumbig e.V. – Das Kulturgetriebe, hat seinen Weg bereits gefunden und musste dabei schon die unterschiedlichsten Aufgaben erfüllen. Heute erzählt er uns, wie dieser Weg aussah:
Die Arbeit mit kreativen Köpfen macht unheimlich viel Spaß, weil wir zusammen immer wieder Neues schaffen, andere Wege ausprobieren, ins kalte Wasser springen und uns nicht an starren Strukturen und Traditionen festklammern.
Was war dein allererster Job? Hatte er bereits irgendetwas mit Kultur zu tun?
Wenn ich mal das Zeitungen austragen als Jugendlicher weglasse, dann war mein erster Job während des Studiums als Werkstudent bei einerUnternehmensberatung. Das hatte mit Kultur zwar nicht allzu viel zu tun, aber ich war in der PR- und Presseabteilung tätig. Dort konnte ich viel lernen, was ich jetzt in der Kultur immer noch gut gebrauchen kann.
Wolltest du immer schon in der Kulturszene arbeiten und wenn ja – woher stammte dieser Wunsch?
Eigentlich wollte ich nach meinem Studium in die Wissenschaft. Das war dann auch meine erste Station. Von 2015 bis 2018 habe ich an der Universität für einen Lehrstuhl gearbeitet. Währenddessen entstand jedoch der Wunsch in die Kultur zu wechseln und mich dort auszuprobieren. Das hatte wohl damit zu tun, dass ich mich privat schon immer gerne in der Kunst & Kultur Szene getummelt habe. Schließlich habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht.
Wie sah deine Ausbildung aus? Wie verlief dein Studium?
Nach dem Abitur habe ich zunächst Geschichts- und Politikwissenschaften in Heidelberg studiert und anschließend einen Master in Paris gemacht. Danach habe ich eine Doktorarbeit begonnen, an der ich auch noch weiterhin arbeite. Damit ich einen gesunden Ausgleich zu der Arbeit in Archiven und Bibliotheken habe, gründete ich 2015 einen Kulturverein und tauchte zunächst als Ehrenamtlicher in die Szene ein.
Welche Fähigkeiten erfordert deine gegenwärtige Position?
Der Großteil meines Alltags besteht aus Konzeption und Organisation. Ich bin derjenige, der sich viel um Zahlen, Pläne und Strukturen kümmert. Wenn ich das in Fähigkeiten übersetze, würde ich ein gewisses Organisationstalent nennen und dazu Grundlagen in Betriebswirtschaftslehre sowie Projektmanagement.
Und wo hast du die dafür relevanten Skills gelernt?
Einerseits habe ich viel in der Unternehmensberatung ‚on the job‘ gelernt, andererseits habe ich mich entschlossen, nach meinem Studium eine Kulturmanagement Weiterbildung zu machen, um auch in Bereiche vorzudringen, die in einem geisteswissenschaftlichen Studium nicht vorkommen.
Gibt es einen Moment in der Vergangenheit, der ausschlaggebend für den Verlauf deiner Karriere war?
Ob es einen speziellen Moment gibt, weiß ich nicht. Aber vielleicht war die Gründung des Vereins ArtAsyl e.V. ein solcher: denn das meiste habe ich mir autodidaktisch beigebracht, wenn ich es benötigt habe. Einen Verein auf- und auszubauen erfordert eine breite Kenntnis, die Du vorher gar nicht haben kannst. Dementsprechend eignete ich mir peu à peu neue Kenntnisse an, immer dann, wenn ich sie gebraucht habe.
Kannst du fünf Meilensteine vom Beginn deines beruflichen Werdegangs bis zum heutigen Tag nennen?
Die Einstellung als Mitarbeiter bei der Unternehmensberatung, meine erste Dozentur an der Uni Köln, die Schaffung einer hauptamtlichen Stelle für ArtAsyl e.V. (die mit der wunderbaren Katharina Klapdor besetzt wurde), meine Einstellung als regionaler Projektmanager bei der Beethoven Jubiläums Gesellschaft und schließlich die Übernahme der Geschäftsführung beim Kulturgetriebe.
Auf welche Hindernisse stößt du in deiner jetzigen Position, auf welche musstest du in der Vergangenheit stoßen?
Der Begriff der Hindernisse gefällt mir nicht so gut, wie wäre es mit Herausforderungen? Dann würde ich sicherlich die Tatsache nennen, wenn Du plötzlich nicht mehr Arbeitnehmer bist, sondern selbst Angestellte hast. Ich empfinde es als eine große Verantwortung, wenn du Menschen beschäftigst. Denn am Ende bist Du natürlich auch dafür verantwortlich, dass ihre Jobs sicher sind, dass sie sich wohlfühlen, dass sie ihre Fähigkeiten gut einsetzen können. Insbesondere jetzt, da die Welt wegen Corona stillsteht. Aber ich übernehme diese Verantwortung gerne.
Wie viel deiner Arbeit war und ist ehrenamtlich?
Ehrenamt spielt bei mir immer eine große Rolle. Auch beim Kulturgetriebe habe ich ja ursprünglich ehrenamtlich angefangen. Neben meinem Job bin ich zudem ehrenamtlich Vorsitzender von ArtAsyl e.V., Schriftführer im Kulturforum, Schriftführer im Ortsverein Lindenthal und sachkundiger Einwohner im Ausschuss für Kunst und Kultur der Stadt Köln. Ehrenamt nimmt dementsprechend einen großen Teil meines Lebens ein. Manchmal habe ich aber auch freie Abende. (lacht)
Was fasziniert dich an der Arbeit mit anderen Kulturschaffenden?
Die Arbeit mit kreativen Köpfen macht unheimlich viel Spaß, weil wir zusammen immer wieder Neues schaffen, andere Wege ausprobieren, ins kalte Wasser springen und uns nicht an starren Strukturen und Traditionen festklammern. Insbesondere in einer kleinen Kultureinrichtung hast du immense Freiheiten, wenn Du sie denn nutzen möchtest.
Wo siehst du dich und deine Arbeit innerhalb der Kölner Kulturszene zum jetzigen Zeitpunkt? Welche Funktion nimmst du ein?
Ich sehe mich als Teil der freien Szene am Tisch der Kulturpolitik.
Ich sehe mich derzeit sehr stark als Netzwerk-Knoten. Jeden Tag werden Ideen, Fragen und Anregungen an mich herangetragen, die ich dann weiterstreue und Leute miteinander bekannt mache. Ein Großteil meiner Arbeit besteht darin, A und B zusammenzuführen. Außerdem versuche ich die Sorgen und Nöte der Kultur an die politischen Entscheidungsträger heranzutragen. Das ist gewissermaßen auch meine Aufgabe als sachkundiger Einwohner. Ich sehe mich als Teil der freien Szene am Tisch der Kulturpolitik.
Und in 10 Jahren … ?
Hoffentlich kann ich innerhalb der nächsten zehn Jahre meinen Impact weiter steigern, damit ich der Szene noch mehr Gehör verschaffen kann. Außerdem wäre es schön, irgendwann nicht mehr nur Anträge zu schreiben, sondern auch mal selbst über Anträge entscheiden zu können, um gute Ideen und kreative Menschen zu fördern.
Hast du einen Tipp für alle die, deren Wunsch es ist in irgendeiner Art und Weise innerhalb der Kulturszene zu arbeiten?
Es ist schon wichtig über sich selbst zu wissen, ob Kultur der eigene Job sein soll, oder ein notwendiger Ausgleich zu einem Job; mit anderen Worten ein Hobby. Manche werden einfach nicht glücklich, wenn die nächste Miete und ein voller Kühlschrank davon abhängen, dass sie genug gute Ideen entwickelt haben oder andere ihre Kreativität positiv bewerten. Dann kann die Freude an der Kultur ganz schnell verloren gehen. Damit möchte ich aber niemanden demotivieren; es geht einfach darum sich selbst gut einschätzen zu können.
In jedem Falle darfst Du Dir in der Kultur für nichts zu schade sein. Ich stehe auch als Geschäftsführer bei Veranstaltungen selbst hinter der Theke, oder schleppe Getränkekisten. Eine tragende Rolle sozusagen.