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11 Fragen an Prasanna Oommen

© Maj Rutten

„Kultur ist kein Überbegriff, der sich werblich labeln lässt. Das hebelt doch alles aus, was Kultur eigentlich kann. Karneval lebt in Köln, der FC lebt in Köln, die Kölner*innen leben in Köln … Kultur ist doch ein politischer Aushandlungsprozess zwischen den Produzent*innen und der Stadtgesellschaft.“

Jérôme Lenzen hat viele Fragen. Elf davon stellt er Kulturschaffenden in Köln. Das Besondere? Die Fragen bleiben identisch; die Befragten jedoch wechseln durch.

Heute spricht Jérôme mit Prasanna Oommen. 

Prasanna Oommen ist Moderatorin, Kommunikationsberaterin und Autorin. In ihrem Moderations- & Kommunikationsbüro arbeitet sie mit ihrem Team an den Schnittstellen von Kultur, Kultureller Bildung, Diversität, Digitaler Transformation und Politischer Kommunikation. Sie ist aktives Mitglied und ehemalige Vorständin bei den Neuen Deutschen Medienmacher*innen und war 4 Jahrzehnte als Performing Artist und Tanzvermittlerin tätig.  Außerdem ist sie Mitbetreiberin des Veranstaltungsortes Mülheimer Freiheit.

Wofür steht die Kölner Kultur (respektive was ist typisch für Köln)?

Tja, als in Köln geborene Tochter von indischen Einwander*innen betrachte ich Köln immer durch verschiedene Brillen. Ich würde im Moment sagen, Köln ist eine Stadt der kulturellen Sehnsucht. Sie blickt seufzend zurück in die 80er Jahre, als Köln eine Kunsthochburg mit internationalem Flair war. Kulturpolitisch blickt Köln viel zu wenig auf die „Habenseite“ und Möglichkeiten der zeitgemäßen Kontextualisierung. Typisch finde ich die Inkonsequenz im Umgang mit dem vielfältigen kulturellen Erbe dieser Stadt.  

Welche Kulturveranstaltung in Köln (Ausstellung, Festival, Konferenz etc.) hat Dich zuletzt vom Hocker gehauen?

Das ist natürlich eine große Geste, wenn man sagt, „vom Hocker gehauen“. Aber ich kann sagen: Ich LIEBE die langen Donnerstage im Museum Ludwig, weil sie mein Bedürfnis nach einem inklusiven Begegnungsort in der Hochkultur stillen. Der lange Donnerstag zu der Ausstellung von Nil Yalter, „Exile is a hard job“, war für mich persönlich sehr besonders, im Rückblick auch, weil ich im darauffolgenden Sommer im Louisiana Museum für Moderne Kunst bei Kopenhagen in der Gruppen-Ausstellung „Homeless Souls“ emotional sehr gut daran anknüpfen konnte.

Und wo hast Du Dir mehr erhofft?

Ehrlicherweise bei der Verleihung des Kölner Kulturpreises 2019, als Köln tollerweise die Chefin der Akademie der Künste der Welt als Kulturmanagerin des Jahres ausgezeichnet hat. Trotzdem hat die Arbeit der Akademie und ihre wichtigen Impulse, die an die Kölner Zivilgesellschaft zurückübersetzt werden könnten, nicht den entsprechenden Rahmen gefunden. Ein Zeichen für die besagte notorische Inkonsequenz …

Gibt es eine/n Kulturschaffende/n in Köln, die/der von Dir besonders bewundert wird?

Auf die Gefahr hin, dass ich mich in der Öffentlichkeit wiederhole: Bassam Ghazi vom Schauspiel Köln. Was er mit den jungen Erwachsenen in seinem Ensemble auf die Beine stellt, inhaltlich wie konzeptionell, sucht seinesgleichen im Regelbetrieb der Kultureinrichtungen. Gute Prozesse, Ent-Stereotypisierung von Bildern und Figuren und nicht „koste was es wolle“ aalglatte Ergebnisse, das zählt bei einer zeitgemäßen Kulturproduktion. Bassam und sein Ensemble machen das alles richtig in ihrer künstlerischen Arbeit.

Kleiner Nachtrag – jenseits aller Diskurse -: Kompakt, DAS elektronische Musiklabel aus Köln wird immer meinen musikalischen „Kölnpride“ füttern. 

Ai Wei Wei hat Berlin unter großem Getöse verlassen, welchen Kulturmenschen hättest Du gerne in Köln?

Ich mag keinen Personenkult und kein Getöse. Ich wünsche mir also niemanden hierher. Vielmehr finde ich, dass längst faszinierende Kulturmenschen hier sind. Vielleicht sind sie (noch nicht) DIE VIPS der Kulturszene, aber mit ausreichender Rückendeckung und Fahrtwind von Entscheider*innen aus Kultur und Politik hätten sie vielleicht das Potential dazu. Wir haben eine international renommierte Direktorin wie Nanette Snoep seit 2 Jahren am Rautenstrauch-Jost Museum, wir haben eine Sabine Voggenreiter, die mit ihren Passagen und der Plan seit über 30 Jahren international beachtete Design-Architektur-Kultur-Veranstaltungskonzepte für die gesamte Stadt in dieser Stadt auf die Beine stellt. Wir hatten 10 Jahre einen Club wie das King Georg (u.a. betrieben von dem Kulturmanager André Sauer), der mit einem exzeptionell interdisziplinär ausgerichteten Programm bespielt wurde (und inzwischen als reiner Jazzclub wiedereröffnet hat). Und wir haben die transkulturellen Filmfestivals, die Lale Konuk und Armin Farzanefar ins Leben gerufen haben. Die sind längst eine Institution. Warum schaffen wir es nicht, Kölns Kulturkompetenz auf einem anderen Qualitätslevel nach außen (in die Republik und darüber hinaus) zu transportieren, statt immer nach etwas Neuem zu schauen?

Neue Oper, neue Museen, neuer Dom? Was für ein Gebäude wünscht Du dir für Köln? 

Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. DOMID geht als erstes zentrales deutsches Migrationsmuseum in die ehemalige Halle Kalk, die ich früher sehr als Außenspielstätte des Schauspiel Köln geschätzt habe. Und ich hoffe von ganzem Herzen, dass hier endlich ein Ort entsteht, wo die Sichtbarkeit der postmigrantischen Gesellschaft und die künstlerische Einbettung in unser kulturelles Erbe als Gesamtes eine wegweisende Wirkung für ganz Deutschland und am liebsten Europa entwickeln. Köln hat hier den Grundstein für eine große Chance gelegt, ich hoffe, sie wird genutzt.

Und welches gibt es schon, dass Dir besonders gefällt?

© Olaf Hirschberg (PO mit Sarah Philipp, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion in NRW, und Schriftstellerin Julia Korbik, Buch: Oh Simone!)

Der Kulturbunker in Mülheim ist für mich einer der „Homebase-Orte“, die ich nicht missen möchte. Ein soziokulturelles Zentrum, dass der Aufgabe, ein „Dritter Ort“ zu sein und ein Programm anzubieten, das seine diversifizierte Stadtgesellschaft entsprechend „abholt“, gerecht wird. Und dann natürlich: Unser eigener Veranstaltungsort, die Mülheimer Freiheit 126, die eng mit meinem persönlichen Kulturverständnis verknüpft ist. 

‚Kultur lebt in Köln‘ heißt der neue Slogan des Stadtmarketing: Was wäre Deiner?

Keiner! Ich halte nichts von dieser Art Claims. Sie sind beliebig. Kultur ist kein Überbegriff, der sich werblich labeln lässt. Das hebelt doch alles aus, was Kultur eigentlich kann. Karneval lebt in Köln, der FC lebt in Köln, die Kölner*innen leben in Köln … Kultur ist doch ein politischer Aushandlungsprozess zwischen den Produzent*innen und der Stadtgesellschaft. Denn wir suchen durch unterschiedliche Ästhetiken, Produktionen und individuelles Erleben ständig neue Antworten auf unsere Fragen, die täglich mehr werden. Wir können Kultur nicht aufsuchen und uns zu eigen machen, sie entwickelt ein Eigenleben und ist uns immer einen Schritt voraus. Diese Mystik und diese Spannung kann man nicht in einen Slogan packen! Gerade jetzt ist sie so still und fehlt uns doch überall. Was sagt mir da so ein Slogan?

Ehrenfeld wird teurer, wo ist die Freie Szene jetzt noch zu Hause?

Kein Viertel sollte sich den Verdrängungsprozessen einfach fügen. Ehrenfeld ist nach wie vor wichtig, Kalk, Mülheim, Nippes, die Südstadt, na klar. Leider fehlt mir der Bezug zu Sülz, Klettenberg, Lindenthal, etc. Dafür müssen andere die Anwaltschaft übernehmen.

Wem sollen wir diese Fragen als nächstes stellen?

Bassam Ghazi, Rosanna D‘Ortona, Sonja Hempel, Oliver Bedorf