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11 Fragen an Heide Häusler

„Die Fotografie muss in Köln wieder neu und groß gedacht werden. Während in Berlin und Hamburg neue Fotomessen gefeiert werden und die Debatte um ein bundesdeutsches Fotoinstitut leider an Köln vorbeigeht, würde es dieser Stadt nun richtig gut stehen, eine Kunsthalle für Fotografie zu platzieren, die sich aktuellen, globalen Themen und Praxen widmet, kooperativ und kontinuierlich und: at large!“ – Heide Häusler

Jérôme Lenzen hat viele Fragen. Elf davon stellt er Kulturschaffenden in Köln. Das Besondere? Die Fragen bleiben identisch; die Befragten jedoch wechseln durch. Dieses Mal hat Jérôme seine Fragen an Heide Häusler gestellt.

© Thekla Ehling

Heide Häusler ist Kunsthistorikerin mit dem Schwerpunkt Fotografie, kommt aus dem Rheinland und hat in und für diverse Häuser in Deutschland Ausstellungen zur Fotografie projektiert und kuratiert. Sie ist seit 2014 künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Internationalen Photoszene Köln, die seit den 80er Jahren für die Förderung der Fotografie in Köln eintritt und das Photoszene-Festival ausrichtet.

Wofür steht die Kölner Kultur (respektive was ist typisch für Köln)?

Für die Fotografie kann ich sagen, dass es kaum eine andere Stadt gibt, in der das Medium in solch einer Bandbreite und von den unterschiedlichen Akteuren präsentiert wird. Vom Museum, über die Galerie und die Szene der freien Kunsträume. Zudem bereichert natürlich auch eine Institution wie die Kunsthochschule für Medien den Diskurs um die „erweiterte Fotografie“. In diesem Jahr beteiligten sich in 2021 und somit trotz Pandemie erneut knapp 90 Ausstellungen am Festival. Das alles hat in Köln eine lange Geschichte, letztlich seit den Anfängen der photokina, seit den 50er Jahren, wird das Medium in dieser Stadt als wichtiges Leitmedium unserer Zeit reflektiert. So betrachtet, könnte man meinen, dass dieses heterogene Feld der Kunstproduktion im Bereich der Fotografie typisch für die Kölner Kultur ist. ABER das ist meine Innensicht. Von außen betrachtet? Bildet sich in Köln die Stärke einer kulturellen Vielfalt aus, was alles und nichts bedeutet, ich weiß. Also typisch? Köln ist wohl architektonisch als auch für das kulturelle Feld gesprochen die Stadt des Auf- und Um- und Neu- und Ausbaus ;-).

Welche Kulturveranstaltung in Köln (Ausstellung, Festival, Konferenz etc.) hat Dich zuletzt vom Hocker gehauen?

Richtig gut gefallen haben mir aktuell die Ausstellung von Judith Röder in der Temporary Gallery, eine feinsinnig und kluge, philosophische Arbeit. Dann auch super überraschend: Gerhard Winkler in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur mit seinen handcolorierten großformatigen fotografischen Tafelbildern in Korrespondenz mit seinen Wachs-Objekten. Unbedingt hingehen! Und vom Hocker gehauen haben mich generell die ersten normalen sozialen Begegnungen und die ersten vorsichtigen Umarmungen, die wir in diesem zweiten Pandemie-Sommer 2021 erfahren konnten!

Und wo hast Du Dir mehr erhofft?

Generell hab ich gehofft, dass wir diesen Sommer schon wieder mehr schauen können, mehr machen, mehr Festivals und kulturelles Leben. Und das ohne die Unsicherheit im Rücken, die immer noch da ist.

Gibt es eine/n Kulturschaffende/n in Köln, die/der von Dir besonders bewundert wird?

Grundsätzlich alle Akteure der freien Szene! Sie tragen mit ihrem eigenen energetischen, kreativen, emotionalen und oft auch finanziellen Kapital dazu bei, das die Millionenstadt Köln eine derart diverse, abwechslungsreiche Kulturstruktur hat.

Ai Wei Wei hat Berlin unter großem Getöse verlassen, welchen Kulturmenschen hättest Du gerne in Köln?

Nichts Lautes. Eher eine Einbindung vieler guter Stimmen in die alltägliche Stimmung der Stadt. Philosophen, die 5-minütige Impulse vor jeder Ratssitzung bringen, manic street preachers, die ihre Thesen über die Stadt verteilen. Not a single man. Oder vielleicht doch, den Astrophysiker Ben Moore, den man täglich für ein Plauderstündchen auf einer Bank am Rhein antreffen könnte.

Neue Oper, neue Museen, neuer Dom? Was für ein Gebäude wünscht Du dir für Köln?

Natürlich eine New Photo – Kunsthalle für Fotografie! Das Label (siehe oben) der Fotostadt Köln ist mittlerweile tatsächlich fast schon eine eherne Zuschreibung, das durch das Ableben der photokina weitere Risse bekommen hat. Die Fotografie muss in Köln wieder neu und groß gedacht werden. Während in Berlin und Hamburg neue Fotomessen gefeiert werden und die Debatte um ein bundesdeutsches Fotoinstitut leider an Köln vorbeigeht, würde es dieser Stadt nun richtig gut stehen, eine Kunsthalle für Fotografie zu platzieren, die sich aktuellen, globalen Themen und Praxen widmet, kooperativ und kontinuierlich und: at large! Diese Idee würden wir als Photoszene gerne weiter vorantreiben!

Und welches gibt es schon, das Dir besonders gefällt?

Einige! Die Kunststation St. Peter, das MAKK, das Museum Ludwig, natürlich Kolumba, die Artothek, und für den spirituellen Halt St. Gereon

‚Kultur lebt in Köln‘ heißt der neue Slogan des Stadtmarketing: Was wäre Deiner?

In Analogie zu meinem „typischen“ Bild der Stadt Köln als Stadt des ständigen Umbaus wäre es eine alte Songzeile von Egoexpress: „Man muss immer weiter durchbrechen…“

In Berlin schließen die ersten Clubs, wird jetzt Köln zur Nummer 1 oder doch Wuppertal?

Ist doch egal. Gute Clubs brauchen keine Rankings. Die besten Clubs sind doch die, von denen man noch gar nicht weiß, dass es Clubs sind. Szenen entwickeln sich in Freiräumen und im Abseits, sobald daraus sichtbares Marketing wird, sind sie schon angezählt.

Ehrenfeld wird teurer, wo ist die Freie Szene jetzt noch zu Hause?

Überall da, wo zu lange gewartet wird. Und die Meister*innen der Improvisation einziehen. Das können ja auch mal Innenstadtbereiche sein wie der Ebertplatz, aber sonst, klar, Kalk, Mülheim, Neu-Ehrenfeld….

Wem sollen wir diese Fragen als nächstes stellen?

Carmen Strzelecki