Ein Platzhalterbild
Top

Arts & Leading: Führungsstilkunde

von Janine Henn.

Die Kunst steht unmittelbar im Zentrum, die Arbeitsweisen werden für das jeweilige Anliegen geschaffen.“

So beschreiben Lena Kußmann und Ulrike Seybold die Strukturen der freien Theaterszene[1]. Für unsere Reihe Arts & Leading stellt sich daher die Frage: Wo und wie entwickeln sich Arbeitsweisen und Teams in großen Kultureinrichtungen? Sind sie womöglich ein weniger attraktives Arbeitsfeld – und wenn ja – müssen sie es bleiben? Eine mögliche Antwort darauf: Wir haben es selbst in der Hand.

DIE DREI SÄULEN DES FÜHRUNGSVERHALTENS – nach Andrea Hausmann[2]

Im letzten Beitrag der Reihe Arts & Leading ging es um Prinzipien, allen voran um Wertschätzung als Tool der aktiven Ausführung von Prinzipien.

Macht und Führungsstil gelten neben diesen Prinzipien als Grundlage des Führungsverhaltens. Obwohl sich diese drei Sphären in vielerlei Hinsicht gegenseitig bedingen, wird einzig die Macht heut zu Tage mit einem negativen Beigeschmack garniert.

Stil klingt zunächst einmal positiv. Wenn jemand Dir sagt, dass Du Stil hast, verstehst du es als Kompliment und so ist es wahrscheinlich auch gemeint. Mit einem wertenden Wort vorangestellt kann Stil schon wieder etwas anderes meinen. So richtig negativ klingt das – eigentlich neutrale – Wort schließlich in Kombination mit ‚kein‘.

Manche gehen in ihrer Wertung sogar so weit, dass es besser sei, einen in manchen Augen schrecklichen Stil zu haben, als gar keinen. Denn das würde wenigstens von Charakter zeugen. Und auch hier: besser einen schrecklichen Charakter als gar keinen. Oder?

Keinen Führungsstil zu haben, wie würde sich das ausprägen? Möglicherweise in übertriebener Zurückhaltung der Führungsperson, vor allem dann, wenn richtungsgebendes Handeln notwendig erscheint. Doch Zurückhaltung kann situationsbedingt auch das Potenzial der Mitarbeiter:innen steigern, ihnen sogar Raum geben. So wird Macht zwar nicht demonstriert, aber trotzdem angewandt.

Der persönliche Stil

Ein schlechter Stil in der Führungsposition kann der Verantwortung des anvertrauten Amtes nicht gerecht werden und ruft nach Neubesetzung der Position. Natürlich ist es einfacher, aufzuzeigen, an welchen Stellen die anvertraute Macht nicht verantwortungsvoll genutzt wird, als etwas Konkretes zu benennen, das besonders gut läuft. Und bewerten lässt sich dies nur aus einer Dualität der Perspektiven. Erst wenn wir auch wissen, ob unser Chef nicht vielleicht eine Strategie verfolgt, die sich zu einem späteren Zeitpunkt als bewährt herausstellt, können wir den Erfolg der Strategie und die Strategie selbst beurteilen. Ein vorschnelles Urteil ist demnach nicht hilfreich.

Stil kennen wir auch aus der Mode. Der persönliche Stil geht hierbei aber über die Auswahl farblich passender und dazu noch gutsitzender Kleidungsstücke hinaus. Menschen, die wir für ihren Stil bewundern, haben entweder den Mut, etwas Neues zu kreieren oder einfach nur ein Gespür dafür, was ihre eigenen Werte und Charakterzüge besonders zum Ausdruck bringen kann.

Wenn der Stil also den Werten entspricht, ist es unmöglich, dass ein Mensch keinen Stil an den Tag legt. Eine Person, der scheinbar alles egal ist, vertritt wahrscheinlich die Überzeugung, dass man nicht alles so wichtig nehmen sollte.

Stile gibt es auch im Tanz. Vielleicht ist dieser Vergleich sogar der passendere, denn hier können wir beispielsweise Hip-Hop oder Tango als unseren Lieblingsstil bezeichnen. Das macht den einen aber nicht besser oder schlechter als den anderen Tanzstil. Und wir können aus beiden etwas Eigenes kreieren. Wer jedoch die Grundlagen nicht kennt, kann diese auch nicht weiterentwickeln, so zumindest zeigen es Kunst- und Kulturschaffende in der Praxis. Oft entsteht auch Neues aus einer Ablehnung eines bereits bekannten Stiles oder aus einem Reformationsgedanken heraus.

Ganz unbewusst werden wir in unserem Leben mit Stilen konfrontiert und übernehmen davon, was mit unseren eigenen Werten stimmig zu sein scheint. Inspirationen und Anregungen finden wir also immer, wenn wir Stilen begegnen, die besonders sichtbar vertreten werden. Wie sieht es nun aus mit Führungsstilen?

Führungsstil nach dem Führungsstilkontinuum

Der etwas sperrig anmutende Begriff Führungsstilkontinuum beschreibt ein von Tannenbaum und Schmidt 1958 entwickeltes Führungsstil-Modell. Es orientiert sich am Partizipationsgrad der Mitarbeitenden. Es kann sowohl nach autoritärem als auch demokratischem Stil angewandt werden. Und dabei heißt es in den wenigsten Fällen entweder…, oder. Vielmehr entscheidet eine Führungsperson ständig neu auf einer Skala zwischen autoritär und demokratisch. Wo genau der Führungsstil sich auf dieser Skala befindet, kann sich also bei jeder einzelnen zu treffenden Entscheidung ändern. Größter einflussnehmender Faktor dabei ist der Termindruck. Die Komplexität einer Entscheidung ist ebenfalls stark ausschlaggebend und korreliert mit persönlichen Werten, Ängsten und Prioritäten der Führungsperson, vor allem dem persönlichen Sicherheitsbedürfnis.

Bei Termindruck kommt uns die Veranstaltungsbranche in den Sinn. So bedingen beispielsweise Theateraufführungen eine gewisse Balance zwischen autoritärer und demokratischer Entscheidungs- und Vorgehensweise. Besonders in diesem Bereich geben die bestehenden Strukturen vor, dass sich einige der Kulturschaffenden – sei es aus Gewohnheit oder Anpassung – tatsächlich eine Autorität wünschen, die aufgrund des hohen Drucks an einem notwendigen Punkt die demokratischen Denkprozesse unterbindet und für alle entscheidet. Wo solche Prozesse einmal tradiert sind, kann es mitunter schwierig sein sie zu durchbrechen. Der Versuch könnte sich aber lohnen – dies zeigt sich in der freien Szene sowie einigen progressiven Schauspielhäusern.

Good things take time

Welche Schlüsse können wir nun ziehen, um eine universelle Antwort auf die Frage nach erfolgreichem Führungsverhalten zu finden?

Neben der Grundfähigkeit zu Empathie und einer geschickten Diskussionsleitung, sollte der Fokus einer Führungspersönlichkeit darauf liegen, genügend Zeit einzuplanen. Nur so entsteht auch intern der Eindruck, dass alle mit ihren Anliegen ernst genommen werden.

Und damit sind wir schon mitten in dem Prinzip, das im besten Falle alle Führungskräfte gemeinsam haben sollten: Raum und Zeit zu schaffen für jede und jeden aus dem Team. Die anfänglichen Fragen werden schnell zu rhetorischen, wenn die Führungspersonen, die nach unserer aktuellen Wertegesellschaft leben, den Arbeitsalltag von Morgen mitgestalten.

Auch wenn es klingt wie ein alter Kalenderspruch, kann es durchaus zutreffen bei Strategien, die Veränderungen hervorrufen können: good things take time.

Für wie transparent haltet Ihr die Strategien der Chefs, für die Ihr bereits gearbeitet habt? Oder kennt Ihr aus Euren eigenen leitenden Positionen besonders bewehrte Methoden, die zu Eurem persönlichen Stil geworden sind? Teilt mit uns hier und auf Instagram eure Erfahrungen aus verschiedenen Arbeitsstrukturen. Aus ‚darüber reden‘ kann auch ein ‚miteinander reden‘ werden.

[1] Kußmann, Lena/ Seybold, Ulrike: Was ist eigentlich „freies Theater“? Der Versuch einer Szenenbeschreibung, 2018

[2] Hausmann, Andrea: Cultural Leadership II. Instrumente der Personalführung in Kulturbetrieben, Wiesbaden 2020