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Kultur, aber sicher! Oder der Blogbeitrag, den Ihr vor der Eröffnung einer Off-Location lesen solltet

Von Jérôme J. Lenzen

In Zeiten knapper werdender Räume für die Kulturszene wird die Umnutzung bislang nicht für kulturelle Zwecke genutzter Gebäude zunehmend interessant. Fabrikhallen, Werkstätten oder leerstehende Supermärkte: Der Umnutzungs-Kreativität sind fast keine Grenzen gesetzt. Erst kürzlich war ich bei einem Konzert in der Kulturkirche in Köln-Nippes. Abgesehen von der eigentümlichen Sitzposition auf einer Kirchenbank entsprach das Gebäude in fast allen Gesichtspunkten einer idealen Konzert-Location. Die perfekte Akustik und ein ausgeklügeltes Lichtsystem sprechen dafür, dass jemand mit Sachverstand die Kirche zu einem echten Kulturort umgebaut hat. Lediglich die Anzahl der Toiletten kann einem größeren Publikumsandrang nicht standhalten.

Doch so unkompliziert eine solche Umnutzung auf den ersten Blick auch scheinen mag – dahinter steht stets ein nicht zu unterschätzendes bürokratisches Ungetüm, dem sich Kulturmanager:innen in ganz Deutschland stellen müssen: Die so genannte Versammlungsstättenverordnung.

In Kürze zusammengefasst besagt die: Wenn viele Menschen zusammenkommen, entstehen Risiken. Dazu zählt u.a. die Brandgefahr. Um diese Risiken so weit wie möglich einzuschränken, wurde eine Rechtsverordnung erlassen, an die sich Veranstalter:innen halten müssen, wenn sie ein Event für mehr als 200 Personen veranstalten. Und ab hier wird es kompliziert – denn entscheidend ist nicht die Anzahl der tatsächlichen Besucher:innen, sondern vielmehr die Frage, ob die Location rein theoretisch mehr als 200 Besucher:innen fassen würde. Das gilt auch für Locations, die aus getrennten Räumen bestehen, sofern diese einen gemeinsamen Rettungsweg haben. Ausnahmen für Kulturorte sind nicht vorgesehen, doch hilft der Bestandsschutz manchen von ihnen, in der aktuellen Form noch genehmigt zu sein.

Wer also eine Location anmietet, sollte sich als erstes mit der Frage beschäftigen, ob diese bereits als Versammlungsstätte zugelassen ist. Eine alte Fabrikhalle erfüllt in der Regel nämlich nicht die für die Versammlungsstätten-Verordnung erforderlichen Anforderungen in Hinblick auf Rettungswege, feuerbeständige Pfeiler und Stützen oder die Anzahl an Toiletten.

Rechenbeispiel

Bei einer Veranstaltung mit einer potentiellen Besucher:innenanzahl von bis zu 1000 müssen je 100 Besucher:innen 1,2 Damentoiletten, 0,8 Urinale und 1,2 Herren-Urinalbecken bereitgestellt werden. Ist die Veranstaltung für beispielsweise 200 Gäste ausgelegt, so benötigt ihr 2,4 Damentoiletten, 1,6 Urinale und 2,4 Herren-Urinalbecken.

Um aus einer Fabrikhalle eine zugelassene Eventlocation zu machen, sind also einige Umbauten notwendig. Davor muss niemand sich Sorgen machen – der einzige Fehler bestünde darin, das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen oder auszusitzen. Denn sowohl Bauämter als auch das lokale Kulturamt können in der Thematik beraten und externe Dienstleister anschließend durch den Prozess führen. Es gibt sogar Zuschüsse aus der öffentlichen Hand für solche Umbauprojekte.

Eine interessante Absurdität, die im nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen zu Unstimmigkeiten führte, verbirgt sich aber noch in der Versammlungsstättenverordnung. Dort wurden in einer Kirche regelmäßig Konzerte durchgeführt, bei denen das Publikum sowohl in den Reihen als auch auf den Emporen sitzen konnte. Dies ließ das Bauamt 2019 nicht mehr zu, weil die Empore über keinen zweiten Rettungsweg verfüge. Obschon die Nutzung der Empore bei Gottesdiensten weiterhin zulässig war, durfte sie bei Konzerten in der Folge nicht mehr genutzt werden. Hintergrund dieser eigenartigen Regelung ist §1 Absatz 3 der Muster-Versammlungsstättenverordnung, in der es heißt: „Die Vorschriften dieser Verordnung gelten nicht für 1. Räume, die dem Gottesdienst gewidmet sind,2. Unterrichtsräume in allgemein- und berufsbildenden Schulen, 3. Ausstellungsräume in Museen, 4. Fliegende Bauten.“ Ein paar Ausnahmen gibt es also doch noch …