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‚Outreach‘ mit der Bundeskunsthalle – Interview mit Christian Gänsicke und Johanna Adam

Um Gesellschaftsgruppen zu erreichen, die bisher noch nicht zum traditionellen Publikum gehören, widmen sich immer mehr öffentliche Kultureinrichtungen dem Thema ‚Outreach‘. Auch in traditionellen Feldern der Kulturarbeit scheint Konsens darüber zu bestehen, dass Teilhabe nur durch die Erprobung neuer Methoden erreicht werden kann. Dafür müssen Kultureinrichtungen über die eigenen vier Wände hinausdenken und handeln.

Bundeskunsthalle Eingang Nordseite Foto: Peter Oszvald © Kunst- und Ausstellungshalle der
Bundesrepublik Deutschland GmbH

Im August startet an der Bundeskunsthalle in Bonn das Outreach-Projekt ‚Diversity Umbrella‘. Anlässlich dessen haben wir mit Christian Gänsicke (Leiter der Abteilung Vermittlung) und Johanna Adam (Kuratorin) über die Zielsetzung und das Potential von Outreach-Programmen gesprochen.

Jérôme J. Lenzen: Meine erste Frage ist so trivial wie komplex; Was versteht Ihr unter Outreach?

Christian Gänsicke: Banal übersetzt heißt Outreach ja nur „Reichweite“. Was so banal klingt, meint im Kern aber tatsächlich das. Im Rahmen der Fragestellung nach Demokratisierungsprozessen in der Gesellschaft ist das vor allem nicht als Einbahnstraße zu verstehen. Viel mehr ist damit gemeint, dass eine vielfältige Gesellschaft zum Mitgestalten aufgerufen wird, in unserem Fall zum Mitgestalten dessen, was unsere Kernaufgabe in der Bundeskunsthalle ist – das Ausstellungmachen.

Fragen nach dem, was wir tun, wie wir es tun und wer an der Ideenfindung und Gestaltung beteiligt ist, sollen dabei eine wesentliche Rolle spielen.

JJL: Welche Outreach-Formate national und international dienen als Vorbild für Euer Projekt? Von wem habt Ihr Euch inspirieren lassen?

Johanna Adam: Wir haben uns unter anderem angeschaut, was andere Museen, aber auch Theater und andere Kultureinrichtungen – international sowie auch in Deutschland – bereits auf dem Gebiet machen. Das Van Abbemuseum in Eindhoven hat den „Werksalon“ eingerichtet, und das Museum für Kunst und Gewerbe betreibt einen „Freiraum“, der zu einem offenen Ort der Begegnung und vielfältiger Nutzung geworden ist. Hier schauen wir neugierig über die Nachbarszäune!

JJL: Welche Zielgruppen / Communitys wurden bei der Projektkonzeption partizipatorisch eingebunden?

CHG: Gemeinsam mit diversen Communitys wollen wir ja erst einen Freiraum zum Austausch in Bonn Bad Godesberg gestalten – das Einbinden und die daraus resultierenden Möglichkeiten liegen also noch in der Zukunft.

Seit vielen Jahren sind wir mit Initiativen in Bad Godesberg im Austausch und gestalten gemeinsam Angebote im Rahmen unserer Ausstellungen, v.a. im kreativ-kognitiven Bereich. Die Angebote richten sich dabei immer an multiethnische und multireligiöse Communitys, v.a. an Kinder, Familien, Frauen und Erwachsene. Stellvertretend möchte ich hier den Verein Kultur Verbindet e.V. benennen.

JJL: Wie unkonventionell kann, darf, muss eine Bundeskunsthalle beim Thema Outreach werden?

JA: Es muss unkonventionell werden! Denn ein solches Projekt ist nicht vordergründig dafür da neue Besucher:innen für unsere Ausstellungen anzulocken, sondern es soll grundsätzlich Möglichkeitsräume und Dialoge schaffen. Da wir vor allem Freiraum bieten möchten, müssen wir uns auf vieles einstellen, an was wir jetzt noch gar nicht denken können. Bei einem partizipativen Prozess ist das sozusagen die Voraussetzung, denn wir können nicht vorwegnehmen, was im Dialog entstehen wird!

JJL: Welche Rolle spielen digitale Angebote bei Outreach?

Bundeskunsthalle Lichtturm von innen Foto: Tania Beilfuß © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

CHG: Digitale Angebote denke ich im Vorfeld als wesentliches Angebot mit. Vorwegnehmen möchte ich dabei allerdings nichts. Ich möchte nicht mit einem vorgegebenen Rahmen, innerhalb dessen „wir“ dann agieren können, starten. Dennoch vermute ich, dass es anachronistisch wäre, eine „Sprache“ die ALLE nutzen, mit der kommuniziert und sich ausdrückt wird, nicht mit zu denken. Es geht dabei um Identität und die Frage danach, wer ich in einer diversen Gesellschaft bin und wo und wie ich mir in dieser einen Platz erobern möchte. Dazu zählen für mich auch Kanäle wie Instagram, Twitter, Tik Tok aber auch YouTube. Bildbearbeitung, Texten, Schnitt und Ton/Sprache bieten in unserer Zeit vielfältigste Möglichkeiten, um kreativ zu werden und sich auszudrücken.

JJL: Welches Potential schlummert in genreübergreifenden Kooperationen mit anderen Kultureinrichtungen, in Bonn und darüber hinaus?

CHG: Die Bundeskunsthalle hat ihre Erfahrungen und ihr Know-How. Wenn dieses Know-How mit Partner:innen, die andere Erfahrungen und Fähigkeiten einbringen können geteilt wird, erwachsen daraus ganz sicher neue Möglichkeiten des gemeinsamen Gestaltens von Gesellschaft und Zukunft.

JJL: Welche langfristigen Effekte erhofft Ihr Euch von dem Projekt? Institutionsintern und bezogen auf die Stadtgesellschaft?

JA: Wir hoffen sehr, dass der Vorstoß in ein langfristiges Engagement mündet. Community Outreach kann nur gelingen, wenn man langen Atem beweist und nicht für einen kurzen Dialog einlädt, um dann die Türen wieder zu schließen. Wir erhoffen uns jedenfalls, dass die Bundeskunsthalle noch vielfältiger genutzt werden kann, um sie zu einem Ort der Inspiration für möglichst viele werden zu lassen.

Ist Euer Interesse an Outreach geweckt? Bis 12.06.2022 könnt Ihr Euch bei der Bundeskunsthalle Bonn um die Stelle der Projektleitung (Vollzeit, befristet) und des Projektmanagements (Teilzeit, befristet) bewerben. Nicht sicher, ob Euer Profil zu den Stellen passt? Wir geben Euch gerne eine Einschätzung. Schreibt uns dazu an jobs@szenekultur.de