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Zugänglich werden – warum und wie? Outreach an Museen theoretisch überblickt

von Jana Brass

Was bisher geschah

Das Schlagwort „Outreach“ fiel auf unserem Blog bisher drei Mal: Erst stand das Thema auf der KulturMut Convention im Fokus. Dann wurde es im Interview mit Christian Gänsicke und Johanna Adam von der Bundeskunsthalle besprochen, an der kürzlich ein Outreach-Projekt mit dem Titel „Diversity Umbrella“ gestartet hat. Dass die Kölner Museumslandschaft derzeit von zahlreichen baulichen Interimslösungen geprägt ist, ließ uns im August anschließend die etwas abstraktere Frage stellen: Wo ist eigentlich das Museum? Unsere Antwort: Nicht (mehr) nur dort, wo wir ein Gebäude mit der Aufschrift „Museum“ betreten! Was Outreach damit zu tun hat? Um diese Frage zu beantworten, wollen wir einen Schritt zurück machen und diesen Begriff, der aus dem Kultursektor (auch außerhalb von Museen) nicht mehr wegzudenken ist, einmal systematisch betrachten.

Hintergrund: Woher kommt Outreach?

Der Blick zurück verrät: Strategien, die wir heute unter der Bezeichnung „Outreach“ zusammenfassen, haben in Deutschland eine vergleichsweise kurze Tradition. Das zentrale Anliegen von Outreach, nämlich gezielt an Besucher:innen außerhalb klassischer Zielgruppen heranzutreten, prägt die Arbeit von Museen etwa in Großbritannien und den USA bereits länger. Fragen nach dem Selbstverständnis von Museen, die auch hierzulande im Verlauf der letzten Jahrzehnte häufiger und dringlicher gestellt wurden, haben Diskurse um ihre gesellschaftliche Rolle und damit auch um ihre Arbeitsweisen befeuert. Dass sie sich heute als relevante Akteure gesellschaftlichen Miteinanders verstehen, manifestiert sich zunehmend in Leitbildern, Strukturen und Programmen von Museen. Hier kommt Outreach ins Spiel – nämlich als Sammelbegriff für Strategien, die auf das Erreichen vielfältiger Besucher:innengruppen abzielen, um so zu einer diversen und gerechten Gesellschaft beizutragen. Dass dieser Schritt einen Schritt aus dem eigentlichen Museum heraus erfordern kann, also ein räumliches Zugehen auf (neue) Besucher:innen, haben wir am Beispiel der Bundeskunsthalle bereits erfahren.

Ziele: Was will Outreach?

Das englische Substantiv „Outreach“ lässt sich wörtlich als „Reichweite“ übersetzen. Worauf Outreach-Strategien abzielen, wird anhand des Verbs „to reach out“ jedoch deutlicher, das sich als wortwörtliches oder bildsprachliches Bewegen auf jemanden oder etwas zu übersetzen lässt. (Das Verb „to outreach“ hat die Bedeutung von „übertreffen“.) Outreach-Strategien sind für Museen ein Schritt auf Personen(gruppen) zu, die bisher keinen oder erschwerten Zugang zu ihnen hatten, da sie nicht zu ihrem klassischen Zielpublikum gehören. Das betrifft etwa besonders junge oder besonders alte Menschen ebenso wie Personen mit Migrationsgeschichte, aus bildungsfernen Milieus und mit körperlichen oder geistigen Behinderungen – Personen also, die auch außerhalb des Museums gesellschaftliche Marginalisierung erfahren. „Zugang“ ist an dieser Stelle buchstäblich und metaphorisch zugleich gemeint: Die Schwelle, ein Museum zu betreten, liegt für sie zum einen aus alltagspraktischen Gründen vergleichsweise hoch, zum anderen sind sie in herkömmlichen musealen Formaten meist unterrepräsentiert und werden seltener gezielt angesprochen. Outreach wird als Hebel verstanden, das zu ändern. Schlagworte, die in diesem Zusammenhang – auch auf unserem Blog – fallen, lauten beispielsweise „Mitgestaltung“ „Begegnung“ oder „Dialog“. Dabei stellt Outreach, wie wir gesehen haben, mehr als ein Marketing-Instrument zur Erschließung neuer Zielgruppen dar, vielmehr wird es als ein Instrument zum Bewirken gesellschaftlicher Gerechtigkeit begriffen.

Strategien: Wie funktioniert Outreach?

Ein weiteres Schlagwort, das im Zusammenhang mit Outreach häufig fällt, lautet Diversität. Als strategisches Diversity Instrument“[1] beschreiben die Autorinnen Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich und Julia Heisig Outreach aus musealer Perspektive und definieren hier drei strategische Bereiche: „Audience Development“ zielt darauf ab, die bereits genannten unterrepräsentierten Besucher:innengruppen adressieren zu können. Bei „Social Inclusion“ geht es – anders als zumindest der deutsche Begriff „Inklusion“ für viele suggerieren mag – um möglichst breite Teilhabegerechtigkeit, oder andersherum gesagt darum, dem gesellschaftlichen Ausschluss dieser Gruppen etwas entgegenzusetzen. „Public Engagement“ bezieht sich auf die Förderung von (ein weiteres Schlagwort) Partizipation durch ko-kreative Ansätze, also praktische Teilhabe.

Neben diesen strategischen Ebenen beschreiben die Autorinnen drei Kategorien, denen sich Outreach-Formate zuordnen lassen: „School-Outreach“, „Community-Outreach“ und „Digital-Outreach“. Ohne auf diese Kategorien oder auf konkrete Beispiele, die die Autorinnen besprechen, im Detail einzugehen, wird deutlich, wie vielfältig Outreach sein kann – und muss. Schulen als Orte, Gemeinschaften wie beispielsweise lokale Nachbarschaften oder digitale Werkzeuge des Austauschs können im Fokus stehen. Je nach Museum, seinen Inhalten und Absichten werden unterschiedliche Formate entwickelt, um bestimmte Besucher:innengruppen erreichen zu können.

Outreach verändert Museum

Outreach ist ein systematischer Prozess, bei dem die Kulturinstitution strategische Maßnahmen abteilungsübergreifend plant, durchführt und evaluiert, um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die das Kulturangebot aus unterschiedlichen Gründen nicht eigeninitiativ wahrnehmen. Dieser Prozess bewirkt eine Veränderung in der Haltung der Institution, der Diversität des Personals, ihrer Programmgestaltung und Kommunikation. Ziel ist eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft.[1]

Anhand der Definition der zitierten Autorinnen kann ein (letzter) zentraler Punkt formuliert werden: Outreach wirkt nicht nur aus dem Museum heraus in die Gesellschaft hinein, auch andersherum stößt Outreach (idealerweise) einen Wandel innerhalb des Museums an. Veränderungen dieser historisch gewachsenen Institution müssen im Einzelnen strukturell verankert und nachhaltig sein, um dem vergleichsweise jungen Selbstverständnis, welches Outreach-Strategien zugrunde liegt, gerecht zu werden. Von der entsprechenden Qualifizierung des Museumspersonals über die Verfügbarkeit von Fördergeldern bis hin zur dauerhaften Verankerung von Formaten des Austauschs mit gesellschaftlichen Akteur:innen – an vielen Stellschrauben gilt es zu drehen. Da überrascht es nicht, dass Museen sich an unterschiedlichen Stellen innerhalb von Veränderungsprozessen befinden. Im nächsten Blogbeitrag zum Thema stellen wir weitere Beispiele für Outreach-Strategien vor, die Museen in Köln und der Region verfolgen.

 

[1] Scharf, Ivana, Dagmar Wunderlich und Julia Heisig: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Diversity-Instrument. Münster/New York 2018.